Christoph Marzi - Grimm
Zitat
»Mädchen, weich vom Wege nicht.«
Handlung
Vesper Gold lebt ihr Leben in Hamburg, nicht freiwillig, aber für eine Siebzehnjährige sicherlich nicht schlecht. Nach dem ihre Eltern sich getrennt hatte musste sie mit nach Hamburg, aber nach dem schnell klar war, dass sie und ihre Mutter nicht lange gemeinsam unter einem Dach leben können hat sie eine eigene kleine Wohnung bezogen und jobbt als Näherin in einem kleinen Theater. Eigentlich kein schlechtes Leben oder?
Ihr Leben gerät allerdings völlig aus den Fugen, als erst ihr Vater stirbt und kurz darauf auch noch ihre Mutter, beides scheinen tragische Unfälle zu sein. Dann fallen auch noch alle Kinder in einen nicht erklärbaren Schlaf, die Eltern haben seltsame Träume und zu allem Überfluss wird Vesper auch noch von einem seltsamen unscharfem Wolf verfolgt, der ihr gewiss nichts gutes will.
Irgendwas ist definitiv nicht mehr richtig in der Welt und plötzlich schein Vesper eine von drei Personen zu sein, die das Rätsel lösen können und das Unheil, das sich wieder in die Welt geschlichen hat, aufzuhalten. Doch wie soll das nur gelingen, wenn man nicht weiß wer der Feind ist oder wem man trauen kann?
Mein Fazit
Grimm ist eines der Bücher, auf das ich mich total gefreut habe, als es erschienen ist. Was nicht nur am Autor Christoph Marzi liegt, sondern auch daran, worüber er diesmal geschrieben hat. Märchen sind etwas das mich immer wieder fasziniert. Besonders liebe ich düstere Abwandlungen oder auch Märchen die sozusagen zum Leben erwachen. Da kann ich selten nein zu sagen.
Wer Marzi kennt, der weiß das dieser ein sehr - ich nenn es mal so - eigenwilliger Autor ist. Sein Schreibstil weicht manchmal schon von dem ab, was man sonst so findet. So hat er beispielsweise einen Hang dazu auch mal sehr kurze Sätze zu schreiben oder gar nur ein Wort. Eines seiner Lieblingswörter - so scheint es mir manchmal, vielleicht auch nur weil es mir immer auffällt - ist „immerhin“. Damit bringt er gerne mal etwas auf den Punkt. Eigenwillig und gewöhnungsbedürftig, aber es passt. Diesen Schreibstil habe ich in den Uralten Metropolen lieb gewonnen und habe mich gefreut, dass er ihn auch hier wieder nutzt. Was bleibt noch zu sagen? Ach ja, entweder man mag Marzi oder man mag ihn nicht. Das scheint bei ihm einfach so sein. So ist es nicht überraschend, dass die Meinungen über ihn auseinander gehen. Wer ihn nicht mag, nun der möge mich nicht behelligen, ich mag ich nämlich und ich lasse da auch nicht mit mir reden. (^_-)
Die Geschichte entwickelt sich rund um Vesper Gold. Eine Siebzehnjährige, der viel daran liegt sich von der Welt um ihr abzuheben. Sie ist eigensinnig, rebellisch und scheint eine gewisse „egal“-Haltung an den Tag zu legen, zumindest wenn es um die Schule geht, in anderen Dingen weiß sie dann aber schon was sie will. Sie ist auf ihre Art sehr unabhängig, aber das mag vielleicht auch daran liegen, dass sie schon lange nichts mehr von ihren Eltern, einem Drehbuchautoren und einer berühmten Pianistin, erwartet. Sie hat sich nach dem sich die Eltern getrennt haben ein eigenes Leben aufgebaut und arbeitet sogar um dies hin zu bekommen. So scheint Vesper eine junge unabhängige Frau zu sein, die weiß was sie will, aber eigentlich ist dies nur eine Fassade, was man sehr rasch auch merkt, denn kaum nehmen die Ergebnisse ihren Lauf wird deutlich dass sie eigentlich sehr einsam und verunsichert ist und sich eigentlich nur jemanden wünscht, der für sie da ist.
Vesper ist für mich vielleicht nicht die Ideal-Heldin, aber sie ist auch nicht missglückt. Sie ist nicht super-mutig oder extrem-schlagfertig, nein sie ist einfach nur ein Mädchen das einer Spur aus Rosenstaubfolgt und nicht weiß wo hin dieser Weg sie führen wird, während sie sich verzweifel Hinweise darauf wünscht, was um sie herum passiert und was das alles zu bedeuten hat. Auch ist sie für mich nicht gefühlskalt oder etwas anders in dieser Richtung, sie weiß nur nicht so richtig wie sie mit der Situation umgehen soll. Wie ich darauf komme? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass sich jemand darüber wunderte, dass sie zum Trauern in ein Museum geht und sich ein Bild anschaut. Das stieß auf Unverständnis bei derjenigen. Aber für mich war es eigentlich logisch. Dieses Bild war für sie ein Teil einer besseren und glücklicheren Vergangenheit, etwas das sie sehr stark mit ihrem Vater verbunden hat, jemand der ihr eigentlich sehr wichtig war, aber von dem sie sich gerade in der letzten Zeit sehr entfremdet hatte. Außerdem war dieses Bild - das Original - der einzige Ort, den sie gemeinsam mit ihrem Vater in Hamburg je besucht hatte. Denn auch zu ihrer Mutter konnte sie schließlich nicht gehen, da diese auf einer Konzerttour war. So finde ich diese Lösung gar nicht schlecht, denn weder konnte sie zu ihrer Mutter - zu der sie ohne hin kein gutes Verhältnis hatte - noch konnte sie nach Berlin um zu ihrem Vater zu gelangen.
Es gibt natürlich noch weitere Figuren, da sind Leander, der ein wenig das Gegenstück zu Vesper ist und sehr fröhlich und ein wenig schräg ist und schließlich noch Jonathan Anderson. Der eigentlich nicht zu den beiden Teenagern passt, aber doch eine gute Ergänzung ist. Über Leander will ich nicht vielsagen, doch über Anderson möchte ich noch ein wenig sagen.
Obwohl sein auftauchen mehr als seltsam ist und seine Vergangenheit definitiv fadenscheinig zu sein scheint mag ich ihn. Ich habe mir aus gemalt, dass er vielleicht der Nachfahr von Hans Christan Andersen ist, dem Mann der uns die Kleine Meerjungfrau geschenkt hat. Es ist schwer ihn und seine Vergangenheit zu durchschauen und außerdem ist er älter, ein Erwachsener. Er war für mich ein wenig mein Indiana Jones. Fragt mich nicht wieso, aber er wirkte einfach für mich wie ein Abenteurer. Vielleicht lag es ja auch an seinem Freund dem Totenkopfäffchen. So oder so mochte ich ihn. Er hatte seine Stärken, er hatte seine Schwächen und vor allem war er eine Hilfe und hatte doch seine eigenen Ziele. Irgendwie.
Was bleibt ist die Geschichte. Und die Idee ist schlicht und ergreifend klasse. Märchen sind nicht bloß Hirngespinste der Menschen von damals und es sind nicht die netten kleinen Geschichten, die die Gebrüder Grimm gesammelt und niedergeschrieben haben. Nein, Märchen gibt es wirklich, sie sind ein Teil der Welt und sie sind alles andere als nett. Um sie in Schach zu halten wurde eine Geheimgesellschaft gegründet, die die Märchen nicht nur bekämpft sondern auch untersucht. Ich meine, dass dieser Gedanke unheimlich toll war, Märchen die durch die Welt ziehen und Unheil und Angst verbreiten und von den Mitgliedern dieser Gesellschaft zurück gehalten werden. Ein bisschen Magie, ein bisschen Märchen und ein wenig Verschwörung, das ist eine klasse Mischung! Hauptquartiere quer durch Europa. Unmengen an geheimen Wissen und natürlich Märchenfiguren... Und natürlich die „Friedenserscheinungen“, Verlust, Vergessen, Unachtsamkeit, mangelndes Interesse... Das ist eine Welt in der ich mich verlieren könnte, herrlich, klasse, so total meins! Auch das Wiederfinden von alten Mitgliedern und das Wiederentdecken von Wissen, das verloren gegangen ist. Die Jagd nach der Wahrheit mit den Märchen dicht auf den Fersen. Ständige Bedrohung und Unsicherheit. Ich habe es geliebt!
Was Marzi da ersonnen hat, war mal wieder super! Erst mal auf so eine Idee zu kommen und das so umzusetzen. Klasse! Toll! Ich weiß nicht wo hin ich noch soll mit meinem Lob. \(^ ^)/ Es ist in meinen Augen einfach nur gelungen! Anders kann ich es nicht sagen.
Aber und leider muss ich aber sagen. Er hat viel zu lange gebraucht um da hin zukommen. Praktisch die Hälfte des Buches wird damit verbracht die Geschichte vorzubereiten und Vesper dort hin zu bringen wo sie hin muss, damit die Geschichte Fahrt aufnimmt. Der Verlust der Eltern, das Kennenlernen von Leander, das Treffen bei Coppelius und schließlich das Kennengelernten von Andersen. Es ist als würde man versuchen nach langer Zeit einen Motor zu starten, man hat das Gefühl, dass er endlich anspringt, dass es endlich losgeht, aber dann funktioniert es doch nicht und es dauert und dauert bis es endlich klapp, aber dann ist es einfach nur genial. Aber je länger es dauert desto ungeduldiger wird es und desto weniger Motivation hat man noch weiter zu machen.
Diese lange Anlaufphase hat für mich das Buch doch ziemlich ruiniert. Marzi kam einfach nicht auf den Punkt. Oder besser zum Thema. Das fand ich sehr, sehr schade. Besonders da diese Anlaufphase eigentlich hätte sehr spannend sein können. Es gab vieles was unbekannt war, es gab Verfolger, das hätte eigentlich reichen müssen, damit Spannung aufkam, was es aber leider nicht tat. Das hinterließ leider einen bitteren Nachgeschmack, als es dann doch endlich Spannend wurde.
Aber um mit etwas positivem aufzuhören: Ganz besonders habe ich die Geschichte des Menschwolfs geliebt. Ich möchte es euch an dieser Stelle nicht verraten, denn das wäre wirklich gemein. Aber das ist eine dieser typischen Marzi-Wendungen, etwas das man absolut nicht erwartet hätte, egal wie sehr man darüber nach gesonnen hätte. Warum ich diese Wendung so liebe? Das bleibt mein eigenes Geheimnis, dass müsst ihr leider hinnehmen. Aber ich sage euch das diese Wendung der Sache noch mal einen kleinen extra Schliff gibt.
Und diese letzte Wendung ist es auch, die für mich den Titel erst richtig passend macht. Denn erst da wird richtig klar, warum alles genauso passierte wie es passiert ist und die Gebrüder Grimm sich gegen die Märchen gewandt haben.
7 von 10 Punkten
Packend!
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