[Rezension] Stella Gemmell - Der Moloch
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Handlung
Die Cité, eine Stadt von kolossalen Ausmaßen. Eine Stadt von der niemand mehr weiß wann sie gegründet wurde. Eine Stadt in der niemand mehr ihren unsterblichen Herrscher kennt. Eine Stadt die an sich selbst erstickt und die gleichzeitig danach strebt seine Feinde zu vernichten. Eine Stadt, die zu Grunde gehen wird, wenn niemand sie rettet, doch der einzige Mann, der das vermag gilt als Tod.Mein Fazit
Die Autorin Stella Gemmell war mir persönlich vollkommen unbekannt, bis ich auf ihr Werk „Der Moloch“ aufmerksam geworden bin. Sie hat zwar schon einige Werke gemeinsam mit ihrem Mann David Gemmell veröffentlicht, doch „Der Moloch“ ist ihr erstes eigenes Werk. Und es ist gleich ein etwas ungewöhnliches Werk. Denn wer kann heute noch bestreiten, dass Bücher, die man den Genres Epic Fantasy und High Fantasy zuordnet mindestens zwei Bände, wenn nicht sogar mehr umfassen müssen. Da dieses Buch ein abgeschlossene Geschichte ist und keine weiteren Teile geplant sind. Für mich war es ein Experiment, kann jemand der Details und Erklärungen, Charakterentwicklungen und verschiedene Erzählperspektiven liebt etwas mit diesem Buch anfangen? Ich habe mich wirklich überraschen lassen und gar nicht weiter versucht herauszufinden, worum es eigentlich gehen soll oder welchen Eindruck die Leseprobe auf mich macht.
Die Covergestaltung die Blanvalet für dieses Buch gewählt hat gefällt mir ziemlich gut. Es wird durch die Ruinen im Hintergrund ein düsteres Gefühl vermittelt. Die Ahnung einer Stadt, die längst nicht mehr glorreich ist, die schon bessere Tage gesehen hat. Und durch den Krieger, der im Begriff ist sein Schwert zu ziehen verstärkt dieses Gefühl noch einmal und bringt die Bedrohung von Kriegen und Kämpfen mit sich. Insgesamt ist das Cover perfekt für dieses Buch und war auch mal wieder einer der Gründe, warum ich mich überhaupt für dieses Buch interessiert habe. Es verheißt definitiv Spannung und irgendwie auch Geheimnisse.
„Eine Millionen Kanalgitter saugten den regen ab, sammelten ihn in dem uralten System aus Rohren und Kanälen, Abwasserkanälen und rinnen und führte ihn tief unter die Stadt. Der größte Teil des Wassers gelangte durch die gewaltigen Abwasserkanäle in den großen Meander. Der Fluss verlief durch die Eingeweide der Stadt. Ein großer Teil des Regens wurde von vielen schichten der Stadtgeschichte gefiltert bis tief hinab, wo die Kanalisation zerstört und zerbrochen war, zerquetscht vom Gewicht der Zeit. Tausende kleiner Rinnsale flossen durch rinnen und zerbrochene gitter, schwemmten die Wände der Kanalisation aus, wuschen den Schmutz und den Müll von Jahren weg, und eine Weile, ein paar Tage lang, waren die Hallen sauber, und es roch dort nach Gras und guter Erde.“
Der Moloch, Stella Gemmell, Seite 29 f.
Stella Gemmell flicht in ihre Geschichte eine Vielzahl kleiner Beschreibungen ein. Kleine Worte, die Schicht um Schicht ein Bild entstehen lassen, das einem Berg von einer Stadt gleicht. Schicht um Schicht baut sie die Hallen, Tunnel und Röhren auf, bis man das Gefühl hat im Bauch des Molochs zu sein. Eine Stadt, die immer weiter wachsen muss und sich alles einverleibt, das sie finden kann, genau das ist die Cité.
(ein Klick aufs Bild führt zu den Originalen auf Deviantart)
Diese Bilder fangen das, was ich geistig vor mir sehe vielleicht noch am ehesten ein, aber sie können wohl längst nicht das wahre Ausmaß der Cité einfangen. Und ich bin immer noch verblüfft darüber wie einfach dieses Bild entstanden ist. Sicherlich hab ich mir gelegentlich mal eine Karte gewünscht, um mich ein wenig besser orientieren zu können, aber im Großen und Ganzen war es doch nicht notwendig.
Was mich allerdings gestört hat war die Tatsache, dass alles was über die Cité hinaus ging doch eher schwammig blieb. Man bekam überhaupt kein Gefühl für die Distanzen, für die Orte, für die Welt als Ganzes. Es schien fast so, als wäre die gesamte Umgebung auf viele, viele, viele Kilometer von den dauernden Kriegen auf- oder ausgezerrt und zu einem regelrechten einerlei verschmolzen. Nie bekommt man eine Ahnung davon wo man ist, wie weit man von der Cité weg ist. Es versinkt einfach im Schatten des Molochs. Das hat mich schon ein bisschen gestört, denn es gibt die eine oder andere Gegebenheit, bei der es wirklich gut gewesen wäre zu verstehen wo der Feind lagert, wie weit er von der Stadt weg ist, wie groß die Stadt nun wirklich ist. Eben wie man alles Dimensionieren muss.
Es wiegt sich also schon ein bisschen gegen einander auf, die Stadt, die einem sehr gut vor Augen steht und der Rest der Welt, der die einem mehr schlecht als recht vor Augen steht.
Die Charaktere waren eine weitere Überraschung, die mir dieses Buch beschert hat. Man sollte ja meinen, dass auf ca. 730 Seiten, die Worldbuilding, die Plot und und und beinhalten müssen nicht auch noch verschiedene Hauptfiguren haben kann. Aber weit gefehlt, hier beweist Stella Gemmell wieder, dass sie keine Anfängerin ist und überrascht mit vielen verschiedenen Charakteren, die teilweise unterschiedlicher nicht sein können. Da ist Bartellus, der alte Mann, der erst seit kurzem bei den Kolakern lebt. Oder Indaro, die junge Kriegerin, die der Welt eigentlich den Rücken gekehrt hat. Und Emly und Eljia, die Geschwister die kein anderes zuhause mehr kennen als die Kanalisation der Cité. Sie alle tragen ihren Teil zu der Geschichte bei und sie alle durchlaufen Veränderungen und haben so ihr ganz eigenes Schicksal. Ich glaube ich habe bei diesen 730 Seiten nicht einmal inne gehalten und mich gefragt, ob das jetzt nicht doch irgendwie unlogisch war, was da passiert ist (okay, vielleicht doch einmal, aber einmal ist bekanntlich keinmal). Es hat mich wirklich sehr überrascht, dass es Stella Gemmell nicht nur gelungen ist diese Charaktervielfalt zu erschaffen, ihnen allen gewisse Rollen zu kommen zu lassen und dabei auch noch die Vergangenheit der Figuren so weit als nötig aufzudecken.
„Die Erinnerung regte sich erneut und verschwand, ohne dass er [Bartellus] sie hätte fassen können. Sein Gedächtnis war mittlerweile sehr lückenhaft. Es bereitete ihm Sorgen, dass ganze Episoden seiner Vergangenheit in diesen Lücken verschwunden waren.“
Der Moloch, Stella Gemmell, Seite 21
Aber so sehr mich die Charaktere und das Worldbuilding mich überrascht haben so hat mich der Plot doch ein wenig enttäuscht. Ich habe mich wirklich schwer getan einen roten Faden zu finden. Über 300 Seiten habe ich mich redlich bemüht raus zu finden wie die Charaktere und der Moloch zusammen finden sollen, aber es gab nur wenige Hinweise. Sicherlich war ihnen allen gemein, dass sie auf ihre Art etwas gegen die Cité und ihren Herrscher haben, das hat Stella Gemmell ohne jeden Zweifel herausgestellt. Aber tatsächlich hatte man nur einen Haufen Figuren, die ihren persönlichen Groll hegten und keine Gruppe, die sich dem Herrscher der Stadt mit einem Plan stellen wollten. Das machte es schwer dem Plot zu folgen.
Wenn ich als Vergleich mal Mistborn von Brandon Sanderson heran ziehe, dann baut Kelsire, die dortige Hauptfigur innerhalb von, ich glaube, 100 - 150 Seiten eine Gruppe auf und hat einen Plan zusammen, denn sie dann verfolgen. Man kommt als Leser ein Ziel vor gestellt und weiß wo es hin gehen soll. Und während dessen lernt man dann die Figuren besser kennen.
Die Tatsache, dass Frau Gemmell sich viel mit dem Worldbuilding und der Charakterentwicklung beschäftigt macht es schwer den Verlauf der Handlung zu erkennen. Was eigentlich die Absicht dahinter ist. Wo sie mit ihren Beschreibungen und Charaktergeschichten hin möchte. Ließ sich für mich nicht erkennen. Aber leider wird es auch nach diesen ersten 300 Seiten nicht ganz einfach den roten Faden aufzunehmen. Die Wendung kommt ein bisschen plötzlich und irgendwie auch ein bisschen unerwartet. Eben noch waren die Figuren auf sich gestellt und dann plötzlich scheinen sie unter einem Dach vereint zu sein und haben einen Plan. Für mich eine Spur zu schnell und leider auch ein bisschen undurchsichtig. Leider, leider.
Aber wenn man denn erst mal verstanden hat was das Ziel der Gruppe ist und wie sie versuchen es zu erreichen, dann kann man sich gut in dieser Geschichte zu recht finden. Und die Spannung steigert sich um einiges, denn nun versteht man auch die Erfahrungen, die die Charaktere machen mussten und die Entwicklungen, die in der Stadt vor sich gehen und auch mit den Charakteren. Es ergibt sich nach und nach ein wesentlich stimmigeres Bild, das einen sehr gut einfängt.
Ohne hier jetzt großartige Spoiler aufzufahren noch ein paar Worte zum Schluss des Buches. Die ganze Sache ist für mich ein wenig undurchsichtig geblieben. Besonders was den Herrscher und seine engsten Vertrauten angeht. Aber eigentlich war es schon sehr passendes Ende. Das musste ich einfach noch mal loswerden.
Lange Rede, kurzer Sinn: Das Werk von Stella Gemmell kann es definitiv mit den großen Werken aufnehmen. Natürlich findet sich hier nicht die Ausführlichkeit, wie man sie in längeren Reihen erwarten kann, aber das tut weder dem Worldbuilding noch den Charakteren einen Abbruch. Der Plot erweist sich zwar anfangs als recht zäh, nimmt einen dann aber doch ziemlich gefangen und baut sich bis zum Ende immer weiter auf. Insgesamt war ich wirklich überrascht wie gelungen und rund dieser Roman ist. Wer man Epic/High Fantasy sucht ohne sich in eine neue umfassende Reihe stürzen zu wollen ist mit „Der Moloch“ sicherlich gut beraten.
8 von 10 Punkten
Bemerkenswert!
Eigentlich wollte ich das Buch direkt nach Erscheinen lesen und hatte es dann aus den Augen verloren. Jetzt muss ich leider sagen, dass mich ein paar andere High Fantasy Bücher mehr ansprechen im Moment :)
AntwortenLöschenAber ich werds weiterhin im Auge behalten, danke dir für die ausführliche Rezi!
Liebe Grüße,
Tina
Ich glaube, wenn ich es nicht als Rezensionsausgabe bekommen hätte, dann hätte ich es auch nicht so schnell gelesen *g* Bin gespannt, wie es dir gefallen wird, wenn du dazu kommst ^^
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